„Frage dich nicht, was die Welt braucht. Frage dich, was dich lebendig macht. Was die Welt nämlich braucht, sind Menschen, die lebendig geworden sind!“ ( H o w a r d Thurman)
Lange im Voraus ging es los: vernetzen, visionieren, planen, organisieren, koordinieren, gestalten, sammeln und generieren. Viele Dinge wollten geklärt sein, bevor es im Oktober 2016 soweit war.
„Wir sind die, auf die wir gewartet haben – wie werden unsere Visionen wirksam?“
Unter dem Motto „Visionen schlagen Wellen“ trafen sich rund 300 Unterstützer und Auszubildende der biologisch-dynamischen Bewegung in der Freien Waldorfschule Gera. Umgeben von modernisierter Plattenbauromantik und den, platztechnisch begrenzten Räumlichkeiten der Schule, erwarteten uns hier einige Neuerungen. So war dies die erste Oktobertagung, die in einem der neuen Bundesländer stattfand und den Besuchern über insgesamt 5 Tagen die Möglichkeit gab, sich auszutauschen, zu diskutieren, zu philosophieren und sich zu vernetzen. Eine große Gruppenarbeit zu Beginn der Tagung öffnete den Raum, um Visionen zu formulieren und in einer Podiumsdiskussion am Ende der Tagung in großer Runde zu diskutieren.
Zunächst aber galt es anzukommen. Gestärkt von dem abendlichen Ankunftsessen starteten wir am Mittwochabend mit zwei Gastvorträgen in unsere Tagung. So stimmte uns die ABL auf die politische Dimension unserer Anliegen ein, während Michael Weiler uns die Sozialität des Bienenstocks näher brachte. Der restliche Abend gab Raum sich zu orientieren.Vom morgendlichen Weckgesang zum Aufstehen ermuntert, gingen wir am Donnerstag vom Frühstück in unsere erste große, gemeinschaftliche Aktion über. Es galt, die Zukunft neu zu gestalten! Dan Felix Müller und sein Team führten uns durch diese spannende Aufgabe und halfen uns unsere Wünsche und Träume zu formulieren. Was sind Visionen? Liegt ihnen nicht der Drang nach Veränderung zugrunde? Was will ich also verändern? Wieso will ich Landwirt/Gärtner sein? Was brauche ich dafür?
Zunächst nur in kleinen Gruppen entwickelten wir unsere Ideen einer Landwirtschaft im Jahr 2025 und sammelten sie. Nach einer kräftigen Mahlzeit und kurzer Verschnaufpause ging es weiter! Wie kriegen wir unsere Visionen auf die Welt? Wie können sie gelebte Realität werden? Ausgehend von den Anliegen einzelner Teilnehmer wurden Gruppen gegründet, welche sich einzelner Visionen annahmen, um diese zu konkretisieren. In diesen Gruppen wurden sogenannte „Prototypen“ entwickelt, welche in der abendlichen Präsentation vorgestellt wurden. Viele Themen wurden bearbeitet und leidenschaftlich vorgetragen, dabei traten zwei Anliegen ganz besonders in den Vordergrund. Zum einen der Wunsch nach einer kleinbäuerlich-strukturierten, aber stark vernetzten Landwirtschaft mit z.T. alternativen Wirtschaftssystemen. Zum anderen das Verlangen danach Individualität und Arbeit neu zusammenzubringen. Wie kann ich in diesem Beruf tätig sein, zu dem ich mich berufen fühle, und gleichzeitig Raum für meine individuellen Interessen und Bedürfnisse finden? Woher generiere ich die Kraft, um kontinuierlich mit Freude und Gesundheit meiner Tätigkeit nachzugehen und Entwicklung voranzutreiben?
Dies zeigte die Aktualität des tagungsbegleitenden Zitats von Howard Thurmann auf. Wie werden bzw. halten wir uns lebendig? Lebendigkeit bedeutet Vielfältigkeit und genau daraufhin zielte das Kursprogramm. Mit insgesamt 22 Kursangeboten konnten so einige Interessen intensiviert bzw. geweckt werden. Neben vielen fachlich orientierten Kursen wie Betriebsgründung,Öffentlichkeitsarbeit, indigenen Mikroorganismen, Obstbaumschnitt und Pferdearbeit (um nur ein paar zu nennen) waren die Teilnehmer aufgefordert in künstlerischen und handwerklichen Kursen ihre Hände und Körper einzusetzen. So rannen z.B. beim Schweißen und Schmieden die Schweißperlen, so wurden Wände aus Sand, Stroh und Lehm im Lehmbaukurs errichtet oder überwanden Körper die Schwerkraft beim Acro-Yoga. Volkstanz lud ein zu Bewegung und Begegnung sowie auch die ContactImpro. Im Zusammenhang mit der Lebendigkeit stellte sich auch die Frage nach der Spiritualität. Am Freitag Abend nahm uns Sebastian Gronbach mit auf eine Reise durch die Mystik und zeigte die Liebe als die Kraft auf, die allem evolutionären Streben zugrunde liegt und deren Gegenspieler nicht der Hass, sondern die Angst ist. Nur die Überwindung der Angst ermöglicht Entwicklung. Und nur die Sinnhaftigkeit schenkt Mut und Kraft, für seine Ideen einzustehen.
„Du bekommst die Menschen nicht über ́s Problem. Du musst sie begeistern! Lasst uns Lust auf gute Landwirtschaft erzeugen statt schlechtem Gewissen. Menschen haben ein großes Bedürfnis nach Sinn! Über die Herzen können wir sie gewinnen.“
Diese Herangehensweise stützte auch die Podiumsdiskussion am Samstagabend. Von Dan Felix Müller moderiert, erläuterten Dr. Tobias Hartgemeyer, Klaus Strüber und Severin von Hoensbroech unter anderem ihren Weg in die Wirksamkeit. Begeisterung und Freude seien unabdingbare Begleiter, jedoch kamen die Gäste unwillkürlich auf den Sinn und die Wahrhaftigkeit ihres Tuns zu sprechen. „Frage dich, wofür du noch in deiner dunkelsten Stunde losziehen würdest!“ (Klaus Strüber) Tobias Hartgemeyer plädierte auch für die kulturschaffende Dimension unseres Berufes. Es gilt diese „ernst- und wahrzunehmen und nicht nur zu schuften!“
„Wirkliche Schule braucht Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden und Maschinen. Lasst uns die Höfe zu Erlebnis-, Bildungs- und Begegnungsräumen machen! Die Handlungspädagogik bietet konkrete Anknüpfungspunkte.“
Es zeigte sich immer wieder, der Mensch ist ein „Arbeitstier“ und gleichermaßen ein kulturschaffendes Wesen! Sinnhaftigkeit, Wahrhaftigkeit und Schönheit soll unserem Tun zugrunde liegen! Demnach hatten Kunst, Handwerk, Musik und Tanz auf dieser Tagung ihren Platz, ebenso wie gemeinsames Lachen, Diskutieren und Denken. Und so endete am Sonntag eine lebendige und dynamische Tagung mit einem gemeinsamen Abschluss und einer gut gelungen Aufräumaktion (man nannte es „Putzen mit Pepp“).
Unser Dank richtet sich an alle Stiftungen, Unternehmen und Höfe, die unser Vorhaben so beherzt mit Essensspenden und finanziellen Mitteln unterstützten. Ebenso danken wir:
- der Waldorfschule Gera für die Räumlichkeiten und Unterstützung
- allen Dozenten, die den weiten Weg auf sich genommen haben.
- unserem fleißigen Küchenteam
- allen, die so tatkräftig mitgewirkt haben; vor allem den Menschen, die in der frühen Phase der Organisation soviel Kraft und Arbeit investierten. Vielen Dank auch an alle Teilnehmer.
Mögen unsere Visionen in die Welt strömen und gelebte Realität werden!
Bis zur nächsten Tagung!
Euer Orga-Team der Oktobertagung 2016